DIECKMANN & HANSEN
Ein Haus, das Geschichte atmet
Hamburg, Hafen. Nebel liegt über den Fleeten, irgendwo schlägt eine Schiffsglocke, der Geruch von Salz und Teer mischt sich mit dem schweren Aroma frisch entladener Ware. Zwischen Kisten, Fässern und dem Stimmengewirr der Händler erhebt sich ein Schriftzug, der bald Synonym für Luxus und Verlässlichkeit wird: Dieckmann & Hansen, ein Name, der seit 1839 als Caviarhandel und -produktion über die Kaikanten hallt – und 1869 seinen festen Platz im Handelsregister fand. Was damals in Altona als Fischsalzerei begann, wurde rasch zu einer Adresse für das Seltenste, was das Meer zu bieten hat: Caviar. Schwarze Perlen, eingefasst in Blechdosen und Holzkisten, getragen von Pferdewagen durch die Stadt und bald schon von Dampfschiffen über die Ozeane.
Ein Produkt, das mehr ist als eine Delikatesse – ein Verspre- chen von Eleganz, von Genuss, von Weltläufigkeit. Über Generationen hinweg lernte man hier, das Kostbare zu bewahren: den Stör, die Tradition, das Wissen um Herkunft und Qualität. Und während ringsum die Zeiten wechselten – Kriege, Revolutionen, das Auf und Ab des Welthandels – blieb der Name Dieckmann & Hansen ein leiser Fixpunkt.
Heute, mehr als 180 Jahre später, erzählt dieses Haus noch immer von den Anfän- gen am Kai und zugleich von der Zukunft einer Delikatesse, die nichts von ihrer Fas- zination verloren hat. Es verbindet Vergan- genheit und Gegenwart, hanseatische Klarheit und internationalen Glanz – und öffnet damit ein Kapitel, das so aktuell ist wie nie.
Die Pioniere
Die Wurzeln reichen tief: Johannes Dieckmann, Küpermeister aus Flensburg, und sein Schwiegersohn Johannes C. F. Hansen gründeten 1869 ihre „Fischsalzerei en gros“ in Altona. Bald schon verlegten sie den Schwerpunkt auf den Handel mit Stören und deren Rogen. Der Fang in Elbe und Nebenflüssen war reichlich – doch man erkannte früh, dass der wahre Schatz in den großen Strömen der Welt lag.
Bereits 1895 errichtete Dieckmann & Hansen eine eigene Station am Amur in Ostsibirien, wo Kaluga- und Amur-Störe gefan- gen wurden. Wenige Jahre später folgte eine noch größere Basis in Astrachan am Kaspischen Meer – das Herz der weltwei- ten Caviarproduktion. Von dort aus gelangten jährlich Dutzende Tonnen des „schwarzen Goldes“ nach Hamburg und weiter nach Europa und in die ganze Welt.
Die Expansion war konsequent: Filialen in Berlin, Wien, Paris, London und Stockholm öffneten ihre Türen. 1911 schließlich gründete Ferdinand Hansen in New York die Romanoff Caviar Company – ein Meilenstein, der Dieckmann & Hansen endgül- tig zu einem internationalen Synonym für Caviar machte.
Hamburg im Wandel
Die Stadt an der Elbe war immer mehr als nur Kulisse. Sie war Drehscheibe, Bühne und Resonanzraum für die Geschichte des Hauses. Während auf den Auktionen der St.-Pauli-Fischhalle die Händler ihre Stimmen erhoben, pflegte Dieckmann & Hansen eine andere Sprache: die leise, verbindliche Sprache von Qualität, Diskretion und Vertrauen. Die Kontore wechselten, die Adressen auch – vom Dovenhof über die Spaldingstraße bis hin zum Holländischen Brook.
Immer aber blieb die Nähe zum Hafen, zu den Schiffen, zu den Handelsrouten, die Hamburg zur Welthafenstadt machten. Wer durch die Lagerhäuser ging, roch Salz, Holz und Leder, sah die Siegel russischer Adliger auf den Fässern, hörte das Klicken der Waagen, mit denen jedes Gramm Caviar gewogen wurde. Hier verband sich hanseatische Kaufmannstradition mit internationalem Luxus – eine Verbindung, die bis heute das Wesen von Dieckmann & Hansen prägt.
Zeiten der Krise
Doch kein Jahrhundert vergeht ohne Brüche. Der Erste Weltkrieg, die Russische Revolution, schließlich die Enteignung der Fischereistation in Astrachan – all das traf das Haus schwer. Trotzdem gelang es, die Beziehungen zur Sowjetunion wieder aufzunehmen und große Konsignationslager in Hamburg einzurichten.
Der Zweite Weltkrieg brachte die nächste Katastrophe: 1943 wurden die Gebäude am Holländischen Brook und in der Spaldingstraße durch Bomben zerstört, die Caviarbestände vernichtet. Jahrzehnte der Arbeit schienen verloren. Doch wie so oft in seiner Geschichte bewies das Unternehmen eine besondere Widerstandskraft. Nach 1945 begann der mühsame Wiederaufbau, getragen von der Romanoff Caviar Company in den USA, die von Nachkommen der Gründer geführt wurde. 1954 nahm Dieckmann & Hansen die Geschäftstätigkeit in Hamburg wieder auf – ein neuer Anfang.
Neuanfang & Blüte
Die Nachkriegsjahre waren von Aufschwung geprägt. Während in Deutschland das „Wirtschaftswunder“ die Tische wieder reich deckte, wuchs auch die Nachfrage nach Caviar. Unter der Leitung von Horst Gödecken handelte Dieckmann & Hansen in den 60er- und 70er-Jahren bereits wieder 20 bis 25 Tonnen pro Jahr – Mengen, die die Ausnahmestellung des Hauses bestätigten.
Die Verbindungen reichten nach wie vor in die Sowjetunion und in den Iran. Ein Privileg, denn Dieckmann & Hansen war eines der wenigen Unternehmen, das Verträge mit beiden Ländern zugleich hatte. Damit sicherte man sich eine Position, die in Europa einzigartig war. Zugleich gelang der Schritt in die Moderne: Unter der Leitung von Susanne Taylor als Nachfolgerin von Horst Gödecken entstanden neue Büros, neue Lager und neue Partnerschaften. In Barsbüttel wurde ein Neubau errichtet, von dem aus das Geschäft global gesteuert wurde. Der Name Dieckmann & Hansen stand erneut für Verlässlichkeit – und für das Gespür, die richtigen Quellen zur richtigen Zeit zu erschließen.
Umbrüche & Herausforderungen
Doch der Caviarhandel blieb stets eng verknüpft mit den politischen und ökologischen Strömungen seiner Zeit. Die iranische Revolution, der Zerfall der Sowjetunion, das Aufkommen illegaler Fischerei und Schmuggelmärkte – all das stellte das Unternehmen erneut vor enorme Herausforderungen.
Früh erkannte man die Gefahr für den Störbestand und suchte den Schulterschluss mit dem WWF. Als 1998 die Störe unter den Schutz des Washingtoner Artenschutzabkommens gestellt wurden, war Dieckmann & Hansen vorbereitet. Die gehandelten Mengen sanken, doch die Qualität blieb unangefochten. Der härteste Einschnitt folgte 1999, als die EU-Kommission kasachische Betriebe von der Zulassungsliste strich und das Unternehmen seine Tätigkeit vorübergehend ruhen ließ. Ein traditionsreiches Haus stand am Rand des Endes. Doch die Geschichte war damit nicht zu Ende erzählt.
Die Rückkehr
2003 wurde der Handel durch die altehrwürdige Firma wieder aufgenommen, und nur wenige Jahre später begann man mit eigenen Störbeständen. Die Zukunft lag nicht mehr im Wildfang, sondern in der kontrollierten Aquakultur. 2009 fand man in der Desietra Holding den idealen Partner, und seit 2011 wird in Hamburg wieder Caviar unter dem Namen Dieckmann & Hansen produziert.
Damit schloss sich ein Kreis: Das älteste Caviarhaus der Welt, einst Pionier an der Wolga und am Amur, verbindet heute nachhaltige Zuchtmethoden mit dem Erbe von mehr als 150 Jahren Erfahrung. Was für eine bewegte Geschichte durch Jahrhunderte, Jahrzehnte, durch Kriege und Stürme hinein in das Zeitalter der Moderne, der Technologie und des stetigen Fortschrittes.
Caviar als Erlebnis
Doch Caviar ist nie nur ein Produkt gewesen. Er ist Ritual, Symbol und Genussmoment. Schon im 19. Jahrhundert wurden die Dosen von Hand versiegelt, mit Siegelwachs verschlossen, in seidengefütterte Schachteln gelegt. Wer eine Dose öffnete, nahm Teil an einem kleinen Zeremoniell.
Heute kehrt dieses Erlebnis zurück. In modernen Boutiquen, auf exklusiven Verkostungen, im Zusammenspiel mit Champagner, Wodka oder zeitgenössischer Küche. Jede Perle erzählt dabei von den Flüssen und Meeren, von der Handwerkskunst und der Sorgfalt, mit der sie geerntet wurde. Dieckmann & Hansen versteht sich als Kurator dieser Momente – als Haus, das nicht nur Caviar liefert, sondern eine Geschichte, ein Gefühl, eine Tradition, die im Heute weiterlebt.
Ausblick
Die Welt des Luxus wandelt sich. Nachhaltigkeit, Transparenz und Erlebnis sind die neuen Maßstäbe. Für Dieckmann & Hansen ist das keine Bedrohung, sondern die logische Fortsetzung einer langen Geschichte. Dabei geht es neben einer großen Bandbreite an Geschmacksvarianten zwischen salzig, cremig oder kräftig auch darum, die Herkunft klar und erkennbar darzustellen – in Italien, Frankreich, Deutschland, Ungarn und China liegen die Quellen der feinen Perlen, die ihren Weg über die individuelle Salzung und die Reifung in der Metalldose in die Länder dieser Welt finden.
Die nächsten Jahre werden davon geprägt sein, das Erbe in eine moderne Sprache zu übersetzen. Neue Formen der Präsentation, digitale Zugänge, innovative Genussformate – all das öffnet das Haus für eine Generation, die Luxus nicht mehr nur als Produkt, sondern als Erlebnis versteht. In Hamburg wird ein eigener Shop eröffnet, ebenso in der Genfer Stadtmitte und im feinen Londoner Harrod’s. Gleichzeitig bleibt das Fundament aber bestehen: die hanseatische Haltung, die kompromisslose Auswahl, die Achtung vor der Natur und die handwerkliche Präzision.
So geht die Geschichte weiter – von einem Caviarhaus, das Vergangenheit und Zukunft miteinander verknüpft. Ein Unternehmen, das den Glanz seiner Geschichte nicht konserviert, sondern lebendig hält – indem es ihn in die Gegenwart trägt. Wer in Zukunft den Namen Dieckmann & Hansen liest, soll nicht nur an Tradition denken, sondern auch an Fortschritt, Eleganz und eine neue und nachhaltige Art, Luxus zu erleben. Wer eine Dose mit dem Namen Dieckmann & Hansen öffnet, hält ein Stück Geschichte in den Händen – und zugleich einen Schlüssel zur Zukunft. Eine Geschichte, die weitergeschrieben wird – Tag für Tag, Perle für Perle.